Demonstrationen: Islamismus versus Kemalismus



İzmir Cumhuriyet Mitingi, originally uploaded by Ozan™.

Ein Meer von roten Fahnen mit Halbmond und Stern am Strand und an der Uferpromenade von Izmir an der türkischen Ägäisküste. Proteste der Bevölkerung zu Hunderttausenden am 13. Mai 2007 gegen den Islamismus und gegen die Vermischung von Religion und Staat.

Diese Proteste fanden überall in der Türkei in allen grossen Städten statt. Anlass war der Versuch der herrschenden Partei AKP des Ministerpräsidenten Erdogan auch das Präsidentenamt zu dominieren, in dem er seinen Aussenminister Gül dem Parlament als einzigen Kandidaten für das Amt vorschlug und gegen die Verfassung wählen lassen wollte.

Denn die Türkei ist ein laizistischer Staat laut Verfassung und Gründung vor über 80 Jahren. Zudem besteht die Gefahr bei einer islamistischen Dominierung des Präsidialamtes oder des Staates, dass die inoffiziellen Wächter des kemalistischen Staates, die türkischen Generäle, geputscht und die Regierung zum fünften mal in der Geschichte der Türkei für eine Weile abgesetzt hätten.

Die Islamisten machen etwa 25-30% der Wählerschaft in der Türkei aus. Sie stammen vorwiegend aus einer Bevölkerungsschicht, die ich als untere Mittelklasse definieren würde. Nicht arm. Schon gar nicht Arbeiterklasse, die links ist. Sie stammt ursprünglich aus den Provinzstädten der Türkei und ist im Laufe der letzten 20-30 Jahre in die Megalostädte und Ballungsräume Istanbul, Ankara und Izmir zugezogen und hat das Stadtbild entscheidend mitgeprägt. Kleine Händler, Handwerker und kleine Selbständige, die häufig ihre Lebens- und Sichtweisen aus ihren Heimatorten mitgebracht haben und die in den Grossstädten mehr auf ihresgleichen treffen.

Ihre zweite Generation ist gut ausgebildet und drängt in die akademischen Berufe und in den Staatsdienst. Dort konfrontiert sie den Islamismus mit dem Kemalismus. Das ist der Konflikt. Bei einer Direktwahl des Päsidenten der Türkei käme es also zu einem offenen Referendum über das politische Schicksal des Landes. Eine Weichenstellung auch für Europa. Und auch für die islamisch gepägte Welt.

11 Kommentare zu „Demonstrationen: Islamismus versus Kemalismus

  1. Ich nehme an das soll 25-30% der Waehlerschaft heissen?

    2530% waeren ja etwas viel ;-)

    Ich hoffe Du schreibst da noch ein bisschen mehr drueber, ein interessantes Thema. Hier in Grossbritannien wird zwar auch ueber die Tuerkei berichtet, aber ich glaube im Vergleich zu Deutschland recht wenig. Das mag daran liegen dass es hier weitaus weniger Tuerken gibt als in Deutschland.

  2. In Deutschland haben etwa 2,5 Milionen Menschen ihre Wurzeln in der Türkei. Der Islamismus jedoch unterscheidet nicht nach Nationalitäten und kennt keine Völker oder Nationen. Der Islam ist die Gemeinschaft aller Muslime unabhängig ihrer ethnischen und nationalen Zugehörigkeit. deshalb haben diese Ereignisse immer auch eine sehr grosse Tragweite in der Welt. Es gibt schliesslich über 1 Milliarde Menschen islamischen Glaubens auf der Welt. Auch in England. Und das sind nicht wenige ;-)

  3. Klar, hier gibt’s sehr viele Menschen islamischen Glaubens, davon so einige unter meinen Kollegen und Bekannten. Vielleicht sogar bei mir persoenlich mehr als ich in Deutschland hatte. Nur halt vergleichsweise wenige tuerkischer Herkunft, sondern mehr Pakistan, Bangladesh und Indien.

    Deswegen bekommen diese Laender mehr Aufmerksamkeit als die Tuerkei, auch wenn ueber die gegenwaertigen Ereignisse natuerlich berichtet wird. Auch und gerade weil das Thema halt diesen weltweiten Einfluss hat. Und da ist es halt schoen von jemandem zu lesen der sich damit auskennt.

  4. „Als einzigen Kandidaten“ schreibst du, wieviele Kanditaten hätte Erdogan noch stellen sollen? Wo war die Opposition? Diese ganze Prozedur und das Verhalten von der „säkulären“,besser kemalistischen Opposition hat doch nur gezeigt, dass diese bereit sind zu undemokratischen Mitteln zu greifen, wenn es um ihre Macht und „soziale“ Stellung geht.
    Die Wahlen werden sehr spannend, vor allem aus dem Grund, da sich jetzt schon ein überwältigender Wahlsieg der AKP andeutet. Die ganzen Umfragen zeigen jetzt schon die 40iger Marke zu gunsten Erdogans Partei. Bei drei Parteien im Parlement könnte dies dennoch eine 2/3 Mehrheit heissen.
    Die Kemalisten haben aber immer paar „islamisten“ Skandale in der Tasche, aktuell: Bikiniskandal. auf bei Spon zu lesen. Das die Werbeflächen schon seit Anfang des Jahres ausgebucht sind, interessiert keinen.

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