Twitter-Interview (4): Saschalobo

saschlobo

saschalobo, Sascha Lobo, twittert seit Mai 2007. Bio: Ich liebe alle meine Follower. Location: Berlin, Web: Riesenmaschine.de, Following 583, Followers 1,050, Updates 1,895

CemB: Was ist eigentlich der Spass an Twitter für dich?

saschalobo: Das Gefühl, beim ständigen Pulsieren des Netzes live dabei zu sein. Dazu die schnelle Reaktion der anderen Menschen; ausserdem ist Twitter für alle möglichen Fragen eine Art Human Google.

CemB: Worüber twitterst du? Was twitterst du? Zu welchen Zeiten twitterst du?

saschalobo: Ich twittere Unterhaltsames mit einem Quäntchen Information. Ab und zu gerät aus Versehen Aktuelles hinein. Ich würze das Ganze mit etwas Erlebnisschrott und schmecke es fein mit sozialem Getöse ab. Ich twittere zu allen Zeiten, zu denen ich wach bin und Lust darauf habe. Das ist in der Regel jeden Tag zwischen acht und halbvier morgens.

CemB: Hat Twitter deine Kommunikationsgewohnheiten verändert? Dein Leben bereichert?

saschalobo: Ja, ich schreibe weniger in Blogs, weniger Beiträge und weniger Kommentare. Twitter hat mein Leben definitv bereichert, weil es der SMS-an-alle-Funktion entspricht, die ich so lange vermisste, ohne es zu wissen. Ich glaube, dass man Tweets weniger liest als vielmehr wahrnimmt. Es ist, als würde ich eine Momentaufnahme aus dem tatsächlichen Leben des anderen mitbekommen – einzige Ausnahme ist die Redaktionsgruppe @frank93, die jeden einzelnen Tweet zwei Tage lang durchkonzeptioniert und eine Fokusgruppe einberuft.

CemB: Nutzt du es für dein Networking? Wie drückt sich das für dich aus?

saschalobo: Ja, ich benutze es für mein Networking, wenn irgendjemand dieses grauenvolle Wort noch ertragen kann. Ich sage stattdessen lieber Kommunikation und Interaktion mit anderen Menschen. Nur Leute mit gering ausgeprägten sozialen Fähigkeiten setzen das mit Networking gleich, glauben, dass alles ein Ziel haben muss und betrachten jeden unter Nützlichkeitsaspekten.

CemB: Hast du durch Twitter neue Themen und Leute kennengelernt? Neue Impulse und Anregungen bekommen?

saschalobo: Ja, neue Leute auf jeden Fall; vor allem glaube ich, Menschen digital besser kennengelernt zu haben als durch das Lesen ihrer Blogs. Wenn man zehn Tweets von jemandem sieht, kann man meiner Meinung nach sagen, was das für ein Typ ist. Trefferquote: über 80%. Auf meiner Followerparty habe ich kaum Überraschungen erlebt, alle waren genau so, wie ich mir das vorgestellt habe. Neue Impulse habe ich auch bekommen, die fünfzehn spannendsten Links aus allen Bereichen habe ich in diesem Jahr sämtlich über Twitter bekommen, und nicht über reddit wie 2007, über del.icio.us wie 2006, durch Blogs wie 2005 oder wie 2004 durch Spiegel Online (schwieriges Jahr gewesen).

CemB: Nutzt du Twitter auch beruflich?

saschalobo: Ja, auf verschiedene Arten. Zum einen hat eines der von mir betriebenen Corporate Blogs einen Twitteraccount, zum anderen ist es ideal in Vorträgen, um zu zeigen, was „da draussen so los ist“, gerade in Verbindung mit Mogulus, einer TV-Live-Streaming-Plattform. Ausserdem habe ich lustigerweise schon Jobs über Twitter bekommen.

CemB: Wie gehst du mit Followern um?

saschalobo: Leute, die mir folgen wollen, sind dazu herzlich eingeladen. Ich schaue aber kaum nach, wer das ist – das wird sich schon von selbst regulieren. Die Menschen, denen ich folge, sind handverlesen bis auf ca. 80 Ausnahmen, die im letzten Jahr dazukamen, als es noch die Funktion gab „Allen folgen, die mir folgen“. Die habe ich betrunken irgendwann mal gedrückt, im Mai oder so. Die 400 danach habe ich einzeln ausgesucht, und zwar nach Qualität der letzten 20 Tweets im Profil, nach allgemeiner Interessanz, nach persönlicher Sympathie und natürlich nach dem Profilbildchen. Einige, denen ich folge, schreiben ausschliesslich unerträglichen Quark, sind aber andererseits sehr nett. Und umgekehrt sicher auch. Wenn mich jemand antweetet, sehe ich das und schaue mir in der Regel sein Profil an. Manchmal wird daraus eine harmonische, gegenseitige Followerschaft.

CemB: Welche Twitter-Clients nutzt du? Twitterst du auch mobil?

saschalobo: Ich benutze fast ausschliesslich das Webinterface, auch mobil auf dem iPhone. Ich habe etwa zwanzig Clients ausprobiert, aber in meinem Leben herrscht aus Protest gegen Intelligent Design ein gnadenloser Technologie-Darwinismus – kein Client hat bei mir überlebt, irgendwann starben alle ausser dem Web. Ich twittere auch oft Bilder per Twitpic, weil dieser Dienst ein Mailinterface hat, das auch vom iPhone aus angesteuert werden kann. Ab und zu benutze ich Tweetburner, um Links zu posten, weil man dann sehen kann, wie oft die Links geklickt wurden.

CemB: Siehst du Wechselwirkungen zwischen Blogs und Twitter? Oder mit anderen Plattformen?

saschalobo: Ja, ich sehe im stärker werdende Wechselwirkungen. Blogs fächern sich in ihrer Funktion auf; eine bestimmte Art von Beiträgen dürfte zu weiten Teilen von Twitter übernommen werden. Es gibt sehr interessante Experimente, wo man in Blogs per Twitter kommentieren kann. Ich glaube, dass Anbindungen an andere Netzwerke stärker werden. Mit Facebook-Statusmeldungen etwa ist das jetzt schon so, die sind zum Teil deckungsgleich mit Twitter. Ich glaube, dass man bald Kategorien für Streams haben wird oder eine stärkere Integration von Hashtags etwas Ähnliches bewirkt.

CemB: Was kommt nach Twitter?

saschalobo: Ich glaube nicht, dass Twitter nur ein temporäres Phänomen ist. Schon allein, weil ich vor einem Jahr jede Wette gemacht hätte, dass es nur ein temporäres Phänomen ist. Vielmehr ist es die lange überfällige Kollision aus Instant Messenger und Social Network. Insofern werden Twitter oder ähnlich aufgestellte Micro-Blogging-Dienste bestand haben und sich weiterentwickeln. Eine Richtung wird automatisierte Kommunikation sein, aber intelligenter als „New Blog Post: Look Mom, I’m dumb!“. Ich glaube, dass über Verknüpfungen auf dem Computer eine halbautomatische Lebensdokumentation erstellt wird, inklusive GoogleMaps-Anbindung, Kalenderveröffentlichung und Nutzungsprofile sämtlicher Medien und Inhalte. Ausserdem werden Dienste wie Twitpic, Qik (dem Handy-Live-Video-Tool) und Mogulus direkter in Twitter und Söhne integriert werden. Ich hoffe nur, dass niemand bei Twitter auf die bescheuerte Idee kommt, die strenge Chronologie aufzulösen.

Bei aller berechtigten Begeisterung für Twitter darf man aber nicht vergessen: Bloggen macht die Welt besser, Twitter macht sie nur schneller. Das ist zwar faszinierend, ohne die richtigen, durchdachten und ausformulierten Inhalte aber zu wenig.

Aus der Reihe: Interviews mit Twitterern. Geführt von CemB (Cem Basman). Das vierte von sieben geplanten Interviews höchst unterschiedlicher Twitterer.

11 Kommentare zu „Twitter-Interview (4): Saschalobo

  1. Buenos días;

    @CemB – Da Sie mich auf Twitter nicht followen, moechte ich dies hier hinterlegen :) Eine grandiose Blogstrecke ! interessant wie auch informativ.

    @saschalobo – Kompliment, trotz Deiner gefuehlten 2000 Follower, was andere zu Antisymphatyhochfluegen bewegt, biste ne richtig nette Berliner Keule :)

  2. Diesen Gedanken eines automatisiert mitgeschnittenen und publizierten (medialen) Lebens empfinde ich als ziemlich erschreckend. Da braucht keiner mehr einen Geheimdienst…

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s