Soziales Web: Zurück zum Einfachen und Notwendigen

Ich bin zunehmend genervt von der Impertinenz von einigen Sozialen Mega-Medien wie beispielsweise Facebook. Von ihrer Zudringlichkeit und Unverschämtheit wie sie sich ungefragt meiner Daten bedienen. Wie sie sich bei mir einschmeicheln, mir Unterhaltung und Freundschaften versprechen und über mich dafür als Marketingmasse verfügen. Zugegeben, ich habe ihnen selber dafür Tür und Tor geöffnet und meine Daten bei ihnen abgelegt. Das war dumm und naiv. Was ich unterschätzt hatte, war ihre Gier, immer mehr Informationen und Meta-Daten daraus zu ziehen und über sie bedenkenlos und gewissenlos zu verfügen. Ich fühle mich in einer Falle, aus der ich schwer wieder herauskomme.

Was tun?

Zunächst gilt es, alle Webpräsenzen zu überprüfen, in denen ich bewusst Mitglied geworden bin, diese auf ein notwendiges Minimum zu beschränken und aus den überflüssigen Datenkraken, soweit das noch geht, wieder auszutreten und meine Daten zu löschen. Aus den Töpfen, in die ich unbewusst gelandet bin, herauszukommen, ist sicher ungleich schwieriger oder fast unmöglich.

Was ist das Minimum für mich, wenn ich überhaupt im Web vorhanden sein möchte?

Für mich ist das wichtigste Element ein persönliches Blog, meine Stimme im Web. Möglichst selbstgehostet. Dort habe ich die Kontrolle, was ich von mir selbst im Web preisgeben will oder auch nicht. Das Blog ist mein Eigenheim im Web. Das Soziale im Blog lässt sich ganz einfach mit den traditionellen Mitteln wie Kommentare, Links und Backlinks bewerkstelligen. Natürlich habe ich auch hier gewisse Regeln zu beachten und Bedrohungen wie von den grossen Datenabsaugern und Bots abzuwehren. Jeder Eigenheimbesitzer muss sich eben auch gegen Einbrecher und Betrüger wappnen. Mit mehr oder weniger Erfolg. Immer noch besser als Ausweis und Schlüssel irgendwelchen Hütchenspielern in die Hand zu drücken.

Für die Echtzeitkommunikation finde ich Twitter immer noch angenehm. Es ist einfach und robust. Sie wollen nicht mehr als meine Mailadresse. Alles Weitere liegt in meiner eigenen Verantwortung. Bisher habe ich auch nicht den Eindruck, dass sie aus der Tatsache, wem ich folge und von wem ich dort verfolgt werde, nenneswertes Kapital schlagen wollen. Twitter ist ein loser Haufen, sehr liquide in der Vernetzung und ziemlich informell. Manche finden es anarchistisch. Für mich ist das in Ordnung.

Ich finde es auch praktisch, einen Visitenkartenordner im Netz zu haben. Ich habe mich schon vor sechs Jahren für Xing als Business Netzwerk entschieden. Dabei bleibt es und ich habe keinen weiteren Bedarf. Ja, es ist unsexy und nicht besonders aufregend und unterhaltsam. Aber dafür lässt es mich weitgehend auch in Ruhe und treibt, soweit ich es sehen kann, keinen Schindluder mit meinen Daten.

Hier und da gibt es sicher noch die eine oder andere Plattform für nützliche spezielle Webdienste wie Musik, Fotos, Videos, Präsentationen und ähnliches, über die ich ja im Einzelfall immer noch entscheiden kann und ihre Dienste separat oder auch eingebettet in meinem Blog nutzen kann.

Was braucht der Webmensch mehr? Mir reicht’s. Ach ja, Suchmaschinen: Unentbehrlich. Also, das viel verschrieene Google. Was soll ich sagen? Es funktioniert zuverlässig, was die Suchergebnisse anbelangt und es gibt in diesem Punkt leider keine wirklich vernünftige Alternative bisher. Man muss ihnen aber auf die Finger schauen und öfter mal darauf hauen, wenn sie wieder übermütig werden.

Nächste Frage: Wie komme ich aus dem anderen Schrott wieder raus?

Die Hauptsache ist das echte Leben. Die virtuellen dienstbaren Heinzelmännchen im Web sollen es nur unterstützen und es hier und da angenehmer und einfacher machen. Mehr nicht. Die Alternative wäre, sich komplett aus dem Web zurückzuziehen.

34 Kommentare zu „Soziales Web: Zurück zum Einfachen und Notwendigen

  1. Lieber Cem,
    letztlich ist es egal welchen social network Betreiber wir kritisieren, sie ALLE erhalten einen sehr großen Vertrauensvorschuss bei maximaler Willkür von uns. Vielleicht ist es irgendwann tatsächlich so, dass es Plattformen geben wird, die sich in Sachen Datenschutz bewährt haben, wir uns von anderen, „nützlicheren“ Plattformen verabschieden, um zu verhindern, dass unsere Daten missbraucht werden.

  2. Ein „schöne“ Ergänzung dazu ist dann auch noch die Spyware von PinchMedia, die in einigen iPhone-Apps enthalten ist und die ohne den Nutzer zu informieren, sensible Daten absaugt und an PinchMedia überträgt, so auch Alter und Geschlecht aus den Facebook-Daten, falls man die Facebook-App ebenfalls installiert hat.

    Siehe dazu z.B. http://www.csi-labor.de/2009/12/wie-erkenne-ich-pinchmedia-bestandteile-in-iphoneipod-anwendungen-update-02-01-2010/comment-page-1/#comment-189

    Ja, das Leben ist nicht einfach in der digitalen Welt, und facebook ist eine üble Datenkrake. Abmelden scheint die einzig richtige Konsequenz.

  3. Vorab: Ich stimme zu – das, was Facebook da ungefragt macht ist sicher mehr als zweifelhaft. Und eigentlich kann von niemandem erwartet werden, durch zig Formulare hindurch seine Privacy Einstellungen vorzunehmen (schon gar nicht vom „gewöhnlichen“ User, der viele Begriffe und Zusammenhänge vielleicht gar nicht versteht).
    Aber: Am Ende muss halt jeder für sich Vorteile und Nachteile bzw. Nutzen und Aufwand abschätzen und darüber entscheiden. Da Facebook keine Freemium-Strategie fährt, liegt die Gegenleistung in der Preisgabe unserer Beziehungen und Inhalte an Dritte (nochmal Hinweis: ich finde das Handling in keiner Weise lobenswert – siehe oben). Der Vergleich mit Xing „hängt“ deswegen ein bißchen. Mal angenommen als zahlender Facebook-Nutzer könnte man mit einem Klick alle ungewollten Beziehungen zu Dritten abschneiden – wieviel wären wir dann bereit für FB-Serverspace und „Freundschaftspflege“ zu zahlen? 1,- EUR im Monat? 5,- EUR im Monat? Oder sogar 10,- EUR im Monat? Ich fände diese Frage mal spannend – wieviel wäre uns der Facebook-Service monatlich wert?

  4. Eine im Prinzip eine interessante Idee, Thorsten. Ich glaube aber Facebook & Co würden das nicht mehr hinbekommen bei den Nutzern. Da ist zuviel Vertrauen zu Bruch gegangen.

  5. @Cem: Ja, der Zug ist defacto abgefahren – da gebe ich Dir Recht.
    Mir ging es mehr darum, zu verdeutlichen, dass für eine Leistung idR immer eine Gegenleistung gefordert wird. Wie und in welcher Form, und mit welchen Methoden, gefragt oder ungefragt, etc etc – das ist in diesem Fall sicher zweifelhaft. Aber es dürfte doch eigentlich jedem bekannt sein, dass Facebook keine karitative Einrichtung ist.

  6. @Cem: Zudringlich? Ja. Unverschämt? Vielleicht. Die wichtigste Frage finde ich jedoch: Welcher tatsächliche Schaden könnte dir aus „Datenkraken“ wie Facebook erwachsen? Hat Facebook Informationen über dich, die sich zum Beispiel Google auch zusammenreimen könnte?

    Klar steht das echte Leben im Vordergrund. Genau deswegen wurde ich im vergangenen Jahr bei FB von der Karteileiche zum aktiven Teilnehmer: Es bot mir nämlich eine Chance, wieder Kontakt mit Freunden, Bekannten und Kollegen aus den USA aufzunehmen, die während meiner US-Reisezeit eine Bereicherung meines „echten Lebens“ waren.

    Solange die nicht kollektiv zu einer sympathischeren Open-Source-Community abwandern, werde ich wohl erst mal bei FB bleiben.

  7. Wollte natürlich schreiben: „die sich Google *nicht* auch zusammenreimen könnte“. (Sitze gerade in einer ruckelnden S-Bahn nach Mainz. ;-) )

  8. @pjebsen, der einzige Grund, der mich noch bei FB hält, ist ein ähnlicher: Der Kontakt zu meinen Verwandten in der Türkei, die in grosser Anzahl auf dieser Plattform sind und mit mir darüber regelmässig kommunizieren.

  9. @Pjebsen: Mit Sicherheit hat Facebook mehr Information über seine angemeldeten Nutzer, sammelt diese auch ganz gezielt und gibt sie an seine Partner weiter. Das geht doch etwas über das hinaus, was Google sich zusammenreimen kann.

  10. Ich habe jahrelang bei Facebook nicht angebissen eben wegen der „vielfaeltigen“ Datensammlung, die da betrieben wird. Jetzt bin ich ein wenig kontrolliert dabei. Wie auch immer: Jeder der ins Internet geht und Daten von und ueber sich selbst preis gibt, kann davon ausgehen, dass die Daten irgendwo wieder auftauchen. Warum jetzt alle verwundert sind, warum Daten die man einmal angegeben hat nicht wieder verschwinden – ich versteh es nicht. Kippt euch mal Rotwein ueber die Hosen und versucht das wieder raus zu waschen…

  11. @vilmoskörte: Facebook hat weder meine Adresse noch meine Kreditkartennummer. Wie ich schon mal fragte: Welcher tatsächliche Schaden könnte mir deiner Meinung nach aus „Datenkraken“ wie Facebook erwachsen?

    Und: Welche Partner, an die Facebook pesönliche Infos weitergibt, meinst du? Die aus dem „Instant Personalization Pilot Program“ (Pilotprojekt zur umgehenden Personalisierung), für das es ein „Opt-out“ gibt?

  12. @PJebsen: Es ist sicher eine persönliche Definition, was man als „Schaden“ bezeichnet, es gibt ja sicher mehr als nur den materiellen Schaden. Und zu den einzelnen Schwachpunkten in Facebooks Datenschutz, der von Facebook betriebenen Verwirrungspolitik bei den Einstellungen muss ich doch die einzelnen Punkte hier nicht mehr wiederholen, das ist lässt sich doch an vielen Stellen im Netz nachlesen.

  13. @vilmoskörte: Was definierst du persönlich denn als *tatsächlichen* Schaden (im Gegensatz zu gefühltem Schaden)?

    Ich habe mich kürzlich ausführlich mit einem Rechtsanwalt unterhalten, der viel mit IT-Recht zu tun hat und mit dem ich beruflich zusammenarbeite. Er meinte, Datenschutz, der sich auf mehr als den Schutz von wirklich sensiblen Daten (Adresse, Finanzdaten etc.), sei für ihn eher mit „religiösen“ Motiven verbunden als mit sachlich begründeten.

    Ich bin noch nicht soweit, ihm hundertprozentig zuzustimmen. Aber ich stelle mir im Moment die Frage (ohne für mich bisher die Antwort gefunden zu haben), worin das Problem von Offenheit in Social Media liegt.

    Über die Schlampereien bei Facebook und die verwirrende Benutzerführung müssen wir uns nicht streiten. Die sind wirklich hinlänglich bekannt. Aber, noch mal: Ich bin noch nicht überzeugt, dass sie nicht nur nervig sind, sondern Menschen auch tatsächlich schädigen können.

    Trotz mehrmalige Nachfragen in diversen Foren und in vielen persönlichen Gesprächen hat mir bisher noch niemand eindeutige Belege für Letzteres geliefert.

  14. @vilmoskörte, P.S.: Die folgende Frage an dich war nicht rhetorischer Natur: „Welche Partner, an die Facebook persönliche Infos weitergibt, meinst du? Die aus dem ‚Instant Personalization Pilot Program‘ (Pilotprojekt zur umgehenden Personalisierung), für das es ein ‚Opt-out‘ gibt?“

    Letztere sind mir aus den vielen einschlägigen Veröffentlichungen bekannt. andere nicht. Falls du mehr weißt als ich, bin ich sehr an Infos interessiert.

  15. Verehrter Cem, so sehe ich das auch.
    Weniger ist mehr.

    Wenn uns die virtuellen Heinzelmännchen (nette Wortschöpfung) derart in Beschlag nehmen, dass der eigentliche Grund für deren Inanspruchnahme zu einer oberflächlichen Banalität verkommt, dann stimmt etwas nicht.

  16. @philgeland: Die undurchsichtig verschachtelten Privacy-Einstellungen von Facebook durchzuarbeiten, dauert ca. fünf bis zehn Minuten. Da nehmen mich meine Freunde und Bekannten schon etwas länger in Beschlag.

  17. @pjebsen
    Schön und gut, aber es ging mir ja auch weniger um die Facebook-Einstellungen, sondern eher darum, inwieweit Facebook dem Pflegen „echter“ Kontakte förderlich ist.
    Ich stelle auch nicht in Abrede dass Facebook für bestimmte Zwecke nützlich sein kann.
    In meinem Fall lass ich mich dann doch lieber von Freunden oder Bekannten „in Beschlag“ nehmen, sei´s per Telefon, einem persönlichen Treffen oder wie auch immer sonst.

  18. @philgeland: Facebook & Co. sind für mich kein Ersatz, sondern eine Ergänzung. Natürlich sind persönliche Gespräche meist befriedigender. Ich habe aber tagsüber z. B. kaum Zeit für längere Privattelefonate, also ist ein kurzes Facebook-, Twitter-, Skype-, SMS- oder Mail-Update besser als gar nichts.

    Und, wie gesagt: Ein relativ großer Teil meiner Facebook-Kontakte ist in anderen Zeitzonen angesiedelt. Viele von uns verbinden kollektive Spezialinteressen (z. B. bestimmte Musikrichtungen), über die wir uns über die Zeitzonen hinweg per Facebook sehr viel effektiver austauschen können als per individueller Kommunikation.

    Diese Bereicherung werde ich nicht aufgrund von Datenschutz-Niggeligkeiten wieder aufgeben.

  19. @pjebsen

    Längere Privattelefonate zu ungünstiger Zeit sind in der Tat lästig.
    Und das Argument mit den Zeitzonen kann ich gut nachvollziehen:
    man hält Kontakt und tauscht sich über gemeinsame Interessen aus.
    Das wäre so ein Beispiel für jene bestimmten Zwecke, bei
    denen Facebook – frei nach Cem – ein nützliches Heinzelmännchen sein kann.

    Mein spärlich genutztes Facebook-Account werde ich trotzdem
    nicht wieder aktivieren. Aus anderen Gründen …

  20. @Usedomspotter

    Falls mein Blog gemeint war, so dümpelt wer wirklich vor sich hin.
    Mal sehen, was daraus in der nächsten Zeit wird.
    Apropos: habe mich ein wenig in deinem umgetan und einen
    „alten Bekannten“ wiedergefunden. Es ist wirklich jammerschade,
    dass einer Mathias Beitz nicht mehr unter uns weilt.
    Schon mal überlegt, wie es wäre, wenn DER einen Blog hätte?

  21. geht mir genauso.

    etwas spezieller wird es noch, wenn man ein spezielles no-budget-business managt, zB eine band. dann ist man quasi gezwungen, sich vor allem mit den grossen kraken auseinanderzusetzen. >> http://wp.me/p-b6

  22. Das ist ein Dilemma: Auf der einen Seiten ist Facebook zu gut, um sich einfach abzumelden. Die Verwandten in England und sonstwo… Ein bisschen ist es wie die Harry Potter-Zeitung, aus der meine Freunde und Familie mit mir sprechen, mal unterhaltend, mal stinklangweilig, aber echt und 1000 x besser als Fernseh. Auf der anderen Seite sehe ich, wie meine Daten konsequent missbraucht werden. Da hat Google (mit einigen Ausnahmen) bisher mehr Fingerspitzengefühl bewiesen.

  23. @Sean Kollak: Du sagt, deine Daten würden von Facebook „konsequent missbraucht“. Worin besteht dieser Missbrauch deiner Meinung nach? Und welcher konkrete Schaden entsteht dir daraus?

    Das sind Fragen, um deren Beantwortung sich die meisten Facebook-Kritiker leider drücken.

  24. Zwei Tage später.

    Es ist wirklich interessant: Das Gejammer über Facebook ist groß. Wenn man aber mal nachhakt und nach *konkreten* Punkten fragt, verstummen die meisten Kritiker.

    Solange sich niemand von euch die Mühe macht, mich eines Besseren zu belehren, bin ich langsam geneigt, dem von mir am 16. Mai zitierten Rechtsanwalt zuzustimmen:

    >> Er meinte, Datenschutz, der sich auf mehr als den Schutz von wirklich sensiblen Daten (Adresse, Finanzdaten etc.) bezieht, sei für ihn eher mit „religiösen“ Motiven verbunden als mit sachlich begründeten. <<

    Cem, du hast das Ganze angezettelt. Was meinst du?

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