Da war ich Werkstudent in Wichita, Kansas. Ich kam von der Arbeit nach Hause in meine kleine Bude in einem der Apartmenthäuser der lokalen Universität. Es war unerträglich heiss. An die hundert Grad Fahrenheit in den Tagen. Ich hatte schon teilweise den Kampf gegen die obligatorische Kakerlaken-Plage aufgegeben. Sprühen half schon nicht mehr, man musste die Biester mit der Insektentoddose erschlagen.
Ich kam also völlig k.o. nach hause und schaltete automatisch meine Klimaanlage wieder auf volle Touren und den Fernseher an, um mir gleichzeitig in der Küchenpantry eine eiskalte Cola zu gönnen.
Mit einem Auge sah ich wie Chuck Berry im Fernseher irgendetwas sagte und dabei recht ergriffen schaute. Nächstes Bild Little Richard. Dann Ray Charles. Ich schaltete um. Wieder Chuck Berry. Dann Aussenaufnahmen von einem riesigen Gartentor. Reporter davor. Der Name Memphis fiel. Graceland. Ich schaltete weiter. Und weiter. Und weiter. Ich weiss nicht mehr wieviele TV Programme ich damals in Wichita empfangen konnte. Aber auf allen gab es nur ein einziges Thema. Er war tot. Elvis war tot. Über die näheren Umstände erfuhr man in diesen ersten Stunden nicht viel. Dieser Tag sollte einer der grossen Legenden der Amerikaner werden.
Ich war damals kein Elvis Fan. Ich hatte ihn als ganz junger Teenager wahrgenommen. So mit zwölf dreizehn. Meinen älteren Cousinen in Istanbul schleppten mich in die Kinos mit als männliche Begleitung. So sah ich Filme wie G.I. Blues mit einem blutjungen Elvis in Deutschland, Flaming Star, Blue Hawaii, Acapulco und natürlich Viva Las Vegas! Und zwar türkisch synchronisiert, aber Gottseidank mit den amerikanischen Liedern im Original…
Ich habe seine Musik und ihre schwarzen Wurzel sehr viel später verstanden. Ehrlicherweise eigentlich durch die legendäre mehrteilige NDR Fernsehproduktion Sympathy for the Devil‘. Diese Musik hat mich bis heute geprägt. Schwarze amerikanische Musik. Mein Held war in den Jahren Jimi Hendrix. Einer, der Lichtjahre zu früh kam. Ein Quantensprung. Ich war sogar auf seinem allerletzten Konzert. Auf Fehmarn. August 1970.
Doch ohne den Rock’n Roll der Fünfziger und ihre Jugendkultur hätte es später die Flower Power Bewegung und vorallem die politischen Studentenrevolten in den USA, in Paris und Hamburg, Frankfurt und Berlin nicht geben können. Der Rock’n Roll ist die Wurzel der Jugendkultur. Er war die Befreiung von Tradition, Enge und Muff. Er war die Feier der Freiheit.