AIG Rettungsaktion: Wo das Geld hinfloss (bisher)

aigbailout

Finanzkrise schöner verkaufen: Beispiel von komplexer Informationsdarstellung bei Nicolas Rapp über die Verwendung der staatlichen Rettungsgelder für die AIG. Die Grafik wurde erstellt im Auftrag vom massiv angeschlagenen US-Versicherungskonzern, um zu verdeutlichen, wofür die Finanzhilfe verwendet wurde. Nur wo sind die restlichen 50 Milliarden Dollar abgeblieben? Der AIG wurde vorgeworfen, dass sie einen Teil der Gelder verwendet hätte, um Bonuszahlungen an ihre leitenden Angestellten zu zahlen… Und was verbirgt sich hinter „payment to itself“ und „Other“? Übrigens, alle Zahlenangaben sind in Milliarden.

Nicolas Rapp ist der Art Director von Associated Press und ein exzellenter Designer für die Darstellung von komplexen Zusammenhängen. Respekt.

PBS-Doku: Inside the Meltdown – Wie der Finanzmarkt zusammenbrach

insidethemeltdown

Wie es wirklich war. Der Anfang vom Ende. Inside the Meltdown [56:23]. Die aktuelle Finanzkrise in einer hervorragenden minutiösen Dokumention des US-Fernsehsenders PBS (Public Broadcasting Service). Mit den originalen Akteuren, originalen Bildern, originalen Zitaten und an originalen Schauplätzen. Sehr gut gemacht.

Die vereinfachte MacDonald’s-Version ist ja schon seit einigen Tagen im Web zu sehen. Die reale Filmvariante von PBS finde ich aufschlussreicher und spannender.

Überzeugend.

ibotweet20081126Ibrahim Evsan, Gründer der deutschen Video Community sevenload, spürt auch die massive Zurückhaltung aller Banker und Finanzdienstleister. Wobei sein Unternehmen vergleichsweise noch gut ausgestattet sein dürfte.

Keine Zeiten für Unternehmer, Selbständige und Freiberufler, die am Markt Geld aufnehmen wollen oder müssen. Keine Zeiten für alle, die keinen langjährigen Anstellungsvertrag bei einem staatlichen oder „krisenfesten“ Unternehmen haben. Die Banken lecken ihre Wunden und haben Angst. Neudeutsch: Rigidestes Risikomanagement. Die demnächst zu erwartenden weiteren europäischen und nationalen Regularien für die Geldwirtschaft, werden das Geschäft mit Geld noch weiter drosseln. Trotz horrender hoher öffentlicher Mittel und Summen, die Risiken der Banken von ihnen abzukaufen. Nicht auszudenken, wenn diese Rosskuren nicht geifen sollten. dann wäre wirklich jeder dran.

Der Schock sitzt sehr tief in den Knochen. Der Übermut der Banker ist ins komplette Gegenteil umgeschlagen. Ganze Volkswirtschaften schmieren langsam ab. Die Politik und die Experten erscheinen orientierungs- und machtlos gegenüber der Situation. Die Angst regiert. Die Finanzdienstleister haben kein Zutrauen in die Zukunft mehr.

Das gesamte gegenwärtige Bild erscheint mir wie ein unentwirrbarer Gordischer Knoten. Sämtliche Patenrezepte funktionieren hier nicht mehr. Die Frage, die sich mir dabei stellt, muss der Knoten mit einem schweren Hieb zerschlagen werden oder ist er doch durch aussergewöhnliche Schläue und Geduld zu lösen? Und haben wir die Zeit, diese Geduld zu haben?

Ich wäre für Zerschlagen, glaube ich. Das geht schneller. Der grösste Teil des globalen Finanzwesens ist in meinen Augen sowieso ein reines Luftgebilde, dem keine echten materiellen Werte mehr gegenüber stehen. Die meisten grossen Institutionen der Finanzwelt kommen mir schon lange vor wie Autokratien. Aber sie haben auch gerade in der New Economy eben ihre Pendants.

Der grosse Sturm hat erst angefangen. Lycos Europe gibt aufTechnorati kürzt Gehälter und Belegschaft, bei HP fällt Weihanachten aus,…

Katerstimmung und Massenentlassungen im Silicon Valley

Viele amerikanische Investoren und Startups im Valley fürchten die Auswirkungen der verheerenden Finanzkrise. Sie entlassen Mitarbeiter, berichtet Robert Scoble, der sich gestern mit Loic Le Meur, CEO von seesmic, darüber unterhalten hat und der gestern ebenfalls sieben Mitarbeiter und in der letzten Woche drei verabschieden musste.

Es wird damit gerechnet, dass feste Mitarbeiter aus Marketing, PR und Design verstärkt auf der Strasse landen und deren Aufgaben von Freiberuflern und Agenturen übernommen werden. Festangestellte Entwickler, Kundensupporter und Serverpersonal zählen dagegen zu den Kernmannschaften der Unternehmen und werden zunächst erstmal nicht dem Outsourcing zum Opfer fallen, heisst es.

Katerstimmung nach der Party? Es ist eine ambivalente Situation: Geld ist reichlich vorhanden, aber die Unsicherheit über die Zukunft wächst.

Abendschoppen

Kein Geld für Startups mehr? Bullshit! (Update)

Andreas Göldi schreibt in netzwertig.com über Was die Krise für die Startup-Finanzierung bedeutet:

Aber wenn man mit Leuten im Silicon Valley oder anderen VC-Zentren spricht, sagen einem alle das gleiche: Der Markt für frisches VC-Geld ist praktisch geschlossen.

Ich teile diese Ansicht nicht ganz. Es ist zwar nicht unwahr, dass nun in diesen Tagen grosse Exits von hoffnungsvollen und gehypten Startups an reine Finanzinvestoren und Spekulanten unwahrscheinlicher sind. Es ist sicher auch genausowenig unwahr, dass Budgets für Online-Werbung kleiner geworden sind. Klar. Den reinen Web 2.0 Trittbrettfahrern ist das Geld knapp geworden. Sie haben es an den Börsen verloren. Beispielsweise ist unser einheimischer DAX an der Frankfurter Börse von einem 52-Wochenhoch bei 8.117,79 alleine in der vergangenen Woche nochmal kräftig um fast 25% gefallen. Heute wurde er bei unter 4.500 (~ 10% im Laufe des Tages) notiert. Er liegt damit nur noch bei gut der Hälfte des Jahreshochs .

Ich glaube jedoch, dass strategische Aquisitionen davon unberührt sind. Sie werden übrigens immer noch zu einem Grossteil durch Aktientausch oder andere Optionen für die Gründer kompensiert. Nicht durch Bargeld.

Ferner glaube ich, dass die aktuelle weltweite Finanzkrise sich generell nicht unmittelbar auf die deutsche Startup-Szene auswirkt. Sie würde sich nur in den Fällen bemerkbar machen, wo noch zu gründende Startups in den Startlöchern stehen und durch Bankenkredite finanziert werden müssten. Das ist nicht nur in Deutschland die Ausnahme. Fast alle Startups sind privatfinanzierte Engagements. Entweder durch die Gründer selbst oder durch Angel und in grösseren Fällen auch durch Investorengruppen, die selber wieder Privatvermögen ihrer Mandanten und Gesellschafter einsetzen. Das einzige Risiko, dass ich hierbei sehe, wäre wenn diese Privatiers selber durch die Finanzkrise in die Bedroullie kommen würden. Das Risiko halte ich für vernachlässigbar im Gesamtbild.

Merkwürdigerweise gibt es im Markt hüben wie drüben anscheinend genug Geld für Startups. Ausserdem erklärt Mr. Gary Vaynerchuk höchst amüsant, dass es auf Geduld und Leidenschaft ankommt. Patience and Passion. And hard hard work after hours. Und nicht auf Geld. Robert hat auch seine Bedenken zur Geldknappheit für Startups.

Nein. Es gibt genügend Geld. Was fehlt sind gute Ideen und Geschäftsmodelle.

Das ist das, was ich an jeder Ecke höre.

Link-Updates:

Paläste zu Sandburgen

In Zeiten turbulenter globaler Finanzmärkte, wo einst hochbegehrte Wertpapiere und ganze Marktindizes in Sekunden ihren Wert und ihre Daseinsberechtigung verlieren, wo machtstrotzende Paläste von Banken, Investmenthäusern und Versicherungskonzernen zu Sandburgen zerbröseln, fragen sich viele, was eigentlich der Wert oder der Preis von etwas noch ist. Das erinnert mich an eine Geschichte aus meiner Grundschulzeit, zweite Klasse am Turmweg in Hamburg.

Eddy, mein damals bester Freund, und ich sind sechs und sieben Jahre alt. Eddy, jüngster Sohn eines jüdischen Tuchhändlers aus dem Iran, wohnte damals mit seiner Familie in einer sehr grossen und sehr schönen Wohnung in einem der feinen Stadtteile von Hamburg, Wenn ich mich recht erinnere, 11 Zimmer. Alle mit wunderschönen sehr feinen orientalischen Teppichen ausgelegt. Ich hatte damals schon ein Auge dafür.

Eines Tages fragte ich ihn in meinem Übermut, was denn ein bestimmter Teppich, der bei ihnen im Wohnzimmer auslag, denn so kosten würde. Ich wollte einfach unhöflich und direkt den Preis wissen. Er schaute mich wissend an und sagte: „Was er dir Wert ist“. Seit fast 50 Jahren klingt diese Antwort mir immer noch in den Ohren. Natürlich hatte er recht.

Nichts Materielles hat einen Wert oder einen Preis für sich. Der Preis ergibt sich einfach aus dem Deal, den Käufer und Verkäufer schliessen. Er ist immer „gerecht“ für beide. Sonst würde mindestens einer der Parteien den Abschluss nicht machen. So wie Fussballergebnisse auch immer gerecht sind, wie weiland Otto Rehhagel schon sagte. Schön spielen nutzt nichts. Tore zählen.

So gesehen sind die Entwicklungen an den Finanzmärkten „immer gerecht“. Sie spiegeln immer die Realität wieder. Gnadenlos.

Deutsche Banken tiefer im US-Finanzstrudel als gedacht

Kai Brenner in Brokerz vor wenigen Minuten:

Der Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers belastet die deutschen Kreditinstitute höher als bisher bekannt. Auch die Genossenschaftsbanken besitzen Lehman-Papiere in einem Volumen von bis zu einer Milliarde Euro. Überschaubar sind offenbar die Probleme der Sparkassen, härter trifft es die Landesbanken. Und auch die Postbank rechnet mit neuen Lasten.

Es scheint nur die Spitze des Eisbergs zu sein…

700.000.000.000 US-Dollar

Damit aus amerikanischen Hausbesitzern keine Hausbesetzer werden. Präsident Bush konkretisiert Rettungsplan für die aktuelle Finanzkrise: 700 Milliarden sollen die Bankenkrise stoppen. Wie bitte? Ausgeschrieben: 700.000.000.000 US-Dollar. Das ist mehr als das Bruttonationaleinkommen Russlands. Oder das Bruttoinlandsprodukt von ganz Afrika. Mal ganz abgesehen von der Finanzierbarkeit. „Mit dem Geld sollen den Banken Hypotheken abgekauft werden, deren Besitzer zahlungsunfähig geworden sind. Die Regierung soll ermächtigt werden, die Schulden für die kommenden zwei Jahre zu übernehmen“ berichtet die tageschau.de weiter.

Privatisierung der Gewinne für die Aktionäre, Sozialisierung der Verluste auf Kosten der US-Steuerzahler. Oder auch ganz einfach: US-Wahlkampf um die Hausbesitzer. Oder ein grosses Geschäft [via] für den Staat?

Es könnte passieren, dass der US-Dollar in der Folge dieser verheerenden Finanzkrise und seinem rapiden Verfall als inoffizielle alleinige Leitwährung der Finanzwelt abdanken muss. Rohstoffpreise (Öl, Gas, Zucker, Kaffee) und grosse Industriegeschäfte (Anlagen, Flugzeuge, Schiffe) werden international immer noch in US-Dollar abgeschlossen. Politik und Wirtschaft der USA haben in den letzten sieben Jahren weltweit zunehmend an Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren, das nicht einfach aufzuholen ist. Sie sind unkalkulierbar und zu riskant als Basis für langfristige internationale Entscheidungen.

Bezeichnend, dass Putin in Zukunft seine Gaslieferungen in Rubel abrechnen will. Russland hat einen Haushalts- und einen Einnahmenüberschuss im Außenhandel. Das stetige Wachstum der Gold- und Devisenreserven hat bereits mehr als 500 Milliarden Dollar angehäuft. Hier liegt Russland an dritter Stelle in der Welt hinter China und Japan.

Der Euro ist sowieso Musterschüler der internationalen Geld- und Währungswirtschaft. Ja, es könnte passieren, dass der US-Dollar demnächst seine Rolle mit anderen teilen müsste.