Gut sechs Tage lang habe ich das T-Mobile G1 intensiv benutzt und getestet. Dabei habe ich ganz bewusst komplett auf mein Notebook, mein dummes altes Handy und auf weitere digitalen Gadgets und Annehmlichkeiten verzichtet. Es gab kein Ausweichen. Das G1 war mein einziger Begleiter ohne Ausnahme. Ein harter Alltagstest.
Zwei Dinge vorab:
Zu mir: Es war mein erstes SmartPhone. Kaum zu glauben. Und ich bin ein intensiver Webworker und Netzwerker. Wie bekannt. Ausserdem bin ich Lesebrillenträger und technisch kein Hacker, Bastler und Frickler. Und schon gar kein Bedienungsanleitungsleser. Also ein ganz normaler Mensch mit dem letzten Schrei auf dem Markt der mobilen Wunder in meiner Hand.
Zum Markt und zur Positionierung des T-Mobile G1: Bisher konkurrierten hauptsächlich zwei Marken um die Köpfe und Portmonnais der Nutzer. (1) Der BlackBerry (BB), dessen Stärke wesentlich darin besteht, überall E-Mails als Push-Dienst empfangen und senden zu können. Besonders beliebtes Statussymbol der professionellen Businesskasper und Mailjunkies. (2) Hingegen Kreativarbeiter und Schöngeister schwören auf Apples iPhone, ihr Erkennungszeichen und unverzichbares Accessoire im reduzierten und schönen Design sowie intuitiver Bedienung praktisch ausschliesslich über sein Touchscreen. Zwei Religionen stehen sich da gegenüber: Der BB für Web 1.0 und Mailjunkies – gegen iPhone für die Lifestylisten. Man darf beide Lager nicht nach den Vor- und Nachteilen fragen. Da erhält man nur stereotype Glaubensbekenntnisse. Evangelisten eben. Wie würde sich aber jetzt das G1 positionieren in diesem Grabenkrieg?
Mein Fazit: Das G1 ist das GooglePhone, ein web- und google-optimiertes SmartPhone für Web 2.0 Menschen. So ungefähr. In einem sehr interessanten Interview hatte neulich Eric Schmidt, CEO von Google, ganz klar betont, dass er das weitere Unternehmenswachstum strategisch eindeutig im mobilen Markt sieht. Inhalte entstehen zunehmend auf mobilen Endgeräten. Das G1 ist also der erste Schritt von Google in diese Richtung, für sich den Markt der mobilen Inhalte zu erschliessen. Clever.
Wie ist jetzt aber der praktische Nutzen des G1? Die Integration der bekannten Google Applikationen ist hervorrragend und vergleichsweise auch schnell. Kein Wunder. Ich habe vorallem sehr intensiv Gmail und Twidroid zum Twittern genutzt. Ohne Probleme und sehr zuverlässig. Ich brauchte ein bis zwei Tage, um mich an die Bedienung zu gewöhnen. Dann hat es Spass gemacht. Das Betriebssystem des G1, Android, war ebenfalls sehr zuverlässig. Die Welt ausserhalb von Google Apps ist natürlich über den Browser gut zu erreichen. Wie aktuell bei allen gängigen SmartPhones sind Inhalte auf Flash nicht sichtbar. Es sei denn, man nutzt die integrierten Programme des G1 für spezielle (Google-)Anwendungen wie beispielsweise für YouTube. Das Runterladen von zusätzlichen Anwendungen über den Marktplatz für den G1 ist sehr einfach. Simpler als bei einem Applestore.
Was hat mir nicht gefallen? Eindeutig das Mäuseklavier, die Tastatur des aufklappbaren G1. Aus zwei Gründen: (1) Es ist wirklich sehr klein und bei schlechter Aussenbeleuchtung schwer zu erkennen, insbesondere die dunkelblaue, noch kleinere Alt-Tasten-Beschriftung. Die sehr schwache Hintergrundbeleuchtung der Tastatur war mir keine grosse Hilfe. (2) Der Medienwechsel zwischen Tasturbedienung und Touchscreen. Die Aufteilung der Bedienanteile ist sogar von Anwendung zu Anwendung leicht unterschiedlich. Da ist ein iPhone dagegen absolut minimalistisch konsequent.
Dass die Akkus des G1 schwach auf der Brust sind, wurde ja schon häufig kolporiert. Es stimmt. Nach rund zwei Stunden Interneteinsatz via 3G-Netz machen sie schlapp und man sollte schleunigst auftanken. Im ICE also gerne einen Sitzplatz mit Steckdose reservieren. Für ein mobiles Highend-Gerät ein echtes Handicap. Der versorgungsfreie Bewegungsradius ist eine der wichtigsten Gründe für ein Smartphone. Ausweg: Einloggen über ein WLAN – das spart etwas Strom.
Noch gibt es wenige zusätzliche Anwendungen für das GooglePhone. Im Vergleich zu seinen Konkurrenten BB und iPhone. Das wird sich aber mit Sicherheit schnell ändern. Google wird strategisch alles dran setzen, dort aufzustocken. Ach, zum Schluss: Ja, man muss sich bei Google anmelden, um den G1 zu nutzen. Mit seinem Google-Account. Das mag jeder selber entscheiden, ob er das möchte. Ich habe kein Problem damit, da ich die Google Anwendungen sowieso schon lange nutze.
Und nun? Jetzt hat jeder drei gleichwertige Entscheidungsmöglichkeiten. BlackBerry, iPhone oder T-Mobile G1. Alle drei haben unterschiedliche Produktphilosophien und bedienen drei unterschiedliche Zielgruppen. Bist du nun also Businesskasper, Lifestylist oder Webworker? Die Entscheidung liegt beim Konsumenten. Bei dir.
Copyright: Das Photo oben ist vom Werbeblogger, Roland Kühl-v.Puttkamer, gemacht und zeigt links seinen iPhone und rechts mein aufgeklapptes T-Mobile G1 Testgerät im Grössenvergleich. Massstab ist mein linker Daumen. Wie immer. Danke für die freundliche Überlassung des Photos, Roland.
Disclosure: Das T-Mobile G1 wurde mir freundlicherweise von T-Mobile und deren Agentur Weber Shandwick zur Verfügung gestellt. Danke, Mark und Jörg dafür!
Update: Einige sehr interessante Details und weitere Aspekte zum G1 hat PJebsen in seinem Blog verfasst. Die Sache mit den rudimentären Möglichkeiten der einfachen Textbearbeitung habe ich auch schon bemerkt. Ich denke, die Produktdesigner werden hier und auch in den oben schon erwähnten Punkten sehr schnell nachziehen (müssen).