Bar 4.0 Bloglesung im Javahouse in Hamburg. Es lesen Lu, Isa, Mek und Merlix. Ich darf moderieren. Und es wird Überraschungen geben. Wie ich vernehme… Also kommt rechtzeitig.
Schlagwort: Gute Blogs
Tristesse de luxe…
Immer, wenn ich anfange zu überlegen, ob ich mit meiner hohen Internetaffinität, meiner hervorragenden Web-2.0-Kompetenz und meinem Heavy-Mobile-Internet-Usage vielleicht mal in einer von diesen neumodischen Agenturen vorstellig werden sollte, muss ich irgendwie daran denken, wie ich einen Sommer lang die selbstgepflückte Kirschen aus Omas Garten an der Dorfstraße versucht habe zu verkaufen, und wieviel doch das Pflücken mehr Spaß machte, als ich die Kirschen nur für mich selber geplückte und dabei in den blauen Himmel träumen konnte und noch nicht an den Profit dachte.
Gepflückt bei tristessedeluxe. Mein vollstes Verständnis.
Gute Blogs sind authentisch
Was sind gute Blogs? Die Antwort ist ganz einfach: Gute Blogs sind authentisch. Nichts weiter. Sie sind von echten Menschen geschrieben, haben einen glaubwürdigen Inhalt und erscheinen in einer zuverlässigen Regelmässigkeit. Ihr Inhalt ist originär. Sie reflektieren und kommentieren die Welt aus einer persönlichen und ehrlichen Sicht. Autor und Inhalt stimmen überein und geben nicht vor, etwas anderes zu sein als sie sind. Die Präsentation ihrer Inhalte ist oft schlicht und ungekünstelt. Sie sind eben authentisch. So einfach ist das.
Wie ist besipielsweise Authentizität in der deutschen Wikipedia definiert?
Angewendet auf Personen bedeutet Authentizität, dass das Handeln einer Person nicht durch externe Einflüsse bestimmt wird, sondern aus der Person selbst stammt[…]. Gruppenzwang und Manipulation beispielsweise unterwandern persönliche Authentizität.
Eine als authentisch bezeichnete Person wirkt besonders echt, das heißt, sie vermittelt ein Bild von sich, das beim Betrachter als real, urwüchsig, unverbogen, ungekünstelt wahrgenommen wird. Dabei muss es sich nicht notwendigerweise um die realen Eigenschaften des Betrachteten handeln, sondern es können auch Zuschreibungen des Betrachters diese Eindrücke verursachen, die etwa auch Teil einer gelungenen Inszenierung darstellen können.
Alles andere ist Gequatsche über Technik des Bloggens oder des Schreibens oder der Darstellung und hat somit mit der Authentizität überhaupt nichts zu tun. Der einzige Rat als halbwegs erfahrener Blogger, den ich jemandem auf dem Weg mitgeben könnte, wäre: Sei authentisch! Sei du selbst!
Das ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb Corporate Blogs, PR und Marketing Blogs so häufig nicht funktionieren. Genausowenig wie offizielle Partei-Blogs. Sie sind meist nicht authentisch. Sie können wahrscheinlich auch gar nicht authentisch sein in dem politischen Umfeld. Viele haben die Schere ja schon im Kopf, wenn sie schreiben. Ich glaube, nur ganz wenige eigenständige Charakterköpfe könnten in einem Corporate-Umfeld authentisch bloggen.
Gute Blogs leben von der Authentizität ihrer Autoren und ihren Inhalten. Daran kann man sie erkennen.
FOLGE magazin: Frerk spricht!
Frerk Lintz macht FOLGE, „ein video interview magazin über die interessantesten zeitgenössischen köpfe“ mit Blog. Das sind qualitativ hervorragend gemachte Minidokumentationen im 16:9 Bildformat. Ästhetisch. Informativ. Seit Monaten habe ich vor, über sein Magazin einen Artikel für meine Reihe „Gute Blogs“ zu machen, aber ich traue mich nicht wirklich. Kann ich dem gerecht werden? Ist es wirklich ein Blog? Es ist etwas anderes. Es ist viel mehr. Es ist einer der idealen Fälle, wo das Medium vollkommen in den Hintergrund tritt und die inhaltliche Aussage das Erlebnis bestimmt. Das zu erreichen ist schwer. Es ist eine Frage der Haltung. Nicht der Technik.
FOLGE ist eines der raren wahren Edelsteine im Web. Unprätientös. Leise. Genau. Mit kostbarem Inhalt. Ein echtes Magazin.
Jetzt spricht Frerk auch noch selbst. In seinem ersten Radiointerview gleich im Deutschlandradio. Hörenswert.
Ich freue mich, ihn beim StartupWeekend in Hamburg auch noch zu sehen.
Update: Frerk öffnet daraufhin seine Tür einen Spalt breit und lässt uns ahnen.
Unfotografierbar
Standpunkt & Aufgabe
“I really believe there are things nobody would see if I didn’t photograph them.”
Identical Twins, Roselle, N.Y.,1967 Diane Arbus
Gilt das nicht genauso für das Schreiben? Und das Bloggen? Gute Blogs stellen Texte und Bilder zusammen, die sonst keiner so lesen oder sehen würde. Gute Blogs haben eine Haltung.
Demnächst geht es wieder weiter mit der Reihe Gute Blogs.
Foodfreak: Bento satt
Petra Hildebrandt lebt und arbeitet in Hamburg und ist Foodfreak. Sie bloggt fast täglich über ihre Kocherfahrungen, ihre Rezepte, Food-Festivals, Skuriles, auch mal über Koch-Gadgets – aber vor allem über Bentos, den japanischen Lunchboxen, sozusagen Herr Watanabes Henkelmann. In diesem Fall ist es Ihr Mann Torsten, für den sie allmorgendlich seine Mittagspause als Bento zusammenstellt, anschliesend fotografiert, beschreibt und in ihrem Blog ins Web stellt. Entdeckt hatte ich sie vor kurzem in flickr.
Wunderbare Gebilde. Hochkreativ zusammengestellt aus gekochten, gefundenen und gekauften Nahrungsmitteln. Fast zu schön um es aufzuessen. Aber zu appetitlich, um es nur anzuschauen. Ein Crossover und eine Fusion der Küchen und eine Collage der west-östlichen Geschmäcker. Ich finde ihre Bentos sehr originell. Dokumente des vernetzten 21. Jahrhunderts.
Petra hat übrigens gemeinsam mit Mela Eckenfels, „Geekette und Netizen der ersten Stunde“ und „IT-Mädel für Alles“ wie Petra (Verlagswerbung), in diesen Tagen Das Kochbuch für Geeks bei O’Reilly herausgegeben – mit u.a. Backen ohne Ofen, Rühreier ohne Pfanne und Rezepte für die LAN-Party. Ein Buch über Bentos soll aber vielleicht noch folgen. Unbedingt! Bis dahin gehört ihr Bento-Feed in jeden Reader!
Ich hatte die Gelegenheit vorgestern ein Interview mit ihr zu führen. Für meine lose Reihe, Gute Blogs. Hier ist es in voller Länge:
Cem: Wie Du weisst, bin ich ein Bewunderer deiner Bentos im Foodfreak Blog! Ich möchte in der Sprechblase darüber einige Zeilen schreiben. Dazu würde ich gerne ein bischen mehr über dich und deine Motivation erfahren. Beantwortest du mir dazu einige Frage per Mail? Oder telefonisch?
Petra: Lieber per Mail, das Telefon ist so gar nicht mein Medium. Bewunderer, ojeoje… das ist mir ja glatt peinlich – eigentlich ist es kein Bentoblog, sondern ein Food-Blog im weitesten Sinne, ich bin nur in den letzten Wochen weniger dazu gekommen wirklich Bloggenswertes zu kochen und zu fotografieren, aber ich bemühe mich doch meistens die Lunchboxen zu bloggen.
Cem: Zunächst, was sind überhaupt Bentos?
Petra: Bentos, oder o-bento, sind typisch japanische Lunchboxen. Ursprünglich bezeichnet der Begriff nur die Verpackung / Schachtel, mittlerweile nennt man aber auch die Box samt Inhalt Bento. In Japan hat die Bento-Box eine jahrhundertealte Tradition, im klassischen Kontext waren Bentos eine Art hochherrschaftliche Picknickkörbchen, die man nicht selten im Restaurant orderte und dann in lackierten Holzbehältnissen zum Picknick trug um dort möglichst farbenfrohe, abwechslungsreiche Kleinigkeiten zu verspeisen.
The Sartorialist: Ein Blog für Fashionistas
Eines der elegantesten und schönsten Blogs, die ich kenne und schätze ist The Sartorialist. Ein Blog über Mode. Männer und Frauen. Ein Blog von Scott Schumann, ein ehemaliger Manager von Bergdorf Goodman in New York, ein Warenhaus für Luxusgüter. Nachdem er wegen seiner kleinen Tochter als alleinerziehender Vater seinen Job verliess, begann er mit seiner Digitalkamera Fotos auf der Strasse zu machen. In New York, in Mailand, in Paris, am Rande von Modeschauen, in den Strassen der Modeschöpfer und Ateliers, in den Parks, dort wo eben gut gekleidete Menschen am ehesten zu finden sind. Diese Fotos, immer Ganzfiguraufnahmen, fast immer stehend in natürlicher Pose, veröffentlichte er in seinem Blog „The Sartorialist“. Manchmal mit knappen aber sehr präzisen Kommentaren. Manchmal ohne. Immer kenntnisreich. Niemals affektiert. Ich habe noch nie so viele gut angezogene Menschen gesehen wie in seinem Blog.
Es ist mittlerweile eines der meistbeachteten Fashionblogs in der Welt. Schumann schreibt mittlerweile auch Kolumnen in Fashionmagazinen, dreht und veröffentlicht Videos über Mode auf den Strassen. Er hat ein geschultes Auge und ein Gespür für Trends. Und sein Geschmack ist unübertroffen. Er ist der beste. Ach ja, übrigens, er hat bis heute keine eigene Domäne …
Warum erzähle ich das? Ich liebe seinen Blog. Und … reden wir nicht über erfolgreiches Blogging, sondern schauen wir uns erfolgreiche und gute Blogs an. Man lernt nur von den besten. Hat mein Vater schon gesagt.
Nachtrag: Scott Schumann kommt nach München, Berlin, Köln und Hamburg sowie nach Stockholm. [Danke, loreley!]