Ich bin mal jetzt ganz Old School. Unternehmen investieren Geld, um mehr Kunden und mehr Marktanteile zu gewinnen, mehr Umsatz und Gewinn zu machen. Punkt. Das ist das, was am Ende zählt. Nichts anderes. Dabei sind PR, Marketing und Werbung Investionen ins Geschäft. Ganz simpel.
Unternehmen sind nicht dazu da, gut zu sein oder hübsch oder schlau oder nett oder sozial. Wenn sie es sind, ist es gut, solange sie den erstgenannten Unternehmenszielen dienen. Kein Unternehmen investiert in irgendetwas, von dem sie nicht mit guter Wahrscheinlichkeit annimmt, das es sich irgendwann rentiert. Basta. Alles andere ist softes Geschwubbel. Und ich erspare mir, auf die Unzahl an gebloggten und getwitterten Äusserungen dazu einzugehen. Unmütige oder wohlwollende.
So, und nun zur aktuellen Vodafone Kampagne und zu ihrer Kritik in den Neuen und Sozialen Medien.
Vodafone und ihre Berater haben angenommen, dass sie die Neue Welle nutzen wollen, um eben diesen grundsätzlichen Unternehmenszielen näher zu kommen. Dazu haben sie ganz Old School die bekanntesten und ihrer Meinung nach glaubwürdigsten Protagonisten der neuen Welle reingeholt, verpflichtet als sogenannte Testimonials. Wie in der Waschmittel-, Zahnpasta-, Spülmaschinen-, Haartönungs- und Lifestylewerbung. Clementine, die Frau des Zahnarzts, den Waschmaschinenservicetechniker, Iris Berben oder Boris Becker. Kann man machen. Nicht besonders innovativ und kreativ, aber OK. Ein uraltes Rezept. Und diese Leute haben mitgemacht. In Ordnung. Das ist deren Verantwortung, wie sie mit ihrem eigenen Image, ihrem Asset, umgehen. Telekomunikationsanbieter gehören zu derem täglichen Betätigungsumfeld. Und eine gewisse Expertise ist denen ja nun auch nicht abzusprechen.
Vodafone war bereit, für das gesamte Paket einschliesslich Mediaeinkauf anscheinend 200 Millionen Euro zu bezahlen. Wohlgemerkt: Nicht nur für den Agentureinkauf. (Update: „Die Etathöhe sorgt offenbar für Missverständnisse. Dabei handelt es sich um den geschätzten! globalen Media-Etat. Der Deutschlandetat wird im mittleren bis oberen zweistelligen Millionenbereich liegen.“ [via Off the record]) Bei einem Umsatz in Deutschland von über 10 Milliarden Euro ist das auch angemessen. Das sind gerade mal 2% 0,5%. Zumal Vodafone auch noch zusätzlich eine weitere wichtige Botschaft hatte: Die markttechnische Einverleibung von Arcor unter ihrer Marke Vodafone und die Vermarktung von T-Produkten unter ihrem Label. Die Vodafone Leitfiguren in derem Management haben sich gedacht, wow, das müssen wir ausschlachten. Mehr geht nicht. Wir sind die Grössten. Die Allergrössten und wir zeigen es denen aus Bonn jetzt, wie das nun gespielt wird. Und Scholz und Freunde haben gedacht, wow, den Etat müssen wir kriegen. Klar. Ganz Old School. OK. Warum auch nicht. Alles andere wäre ja auch deppert.
Was ist dabei herausgekommen? Klar. Eine Old School Werbung und eine Old School Pressekonferenz. Kein Beinbruch. Alles andere hätte mich aber nun auch überrascht. Das Unternehmen Vodafone sieht das Ganze sowieso als Mittel zum Zweck und nicht mehr. warum sollte sie auch anders darüber denken? OK, die Waschmaschinenservicetechniker sind nicht begeistert. Ein grosser Teil der Communities in den Sozialen Medien schäumt. Ich bin auch nicht gerade begeistert. Wat’n Wunder (Plattdeutsch für „Was für ein Wunder“). Aber Leute, die Waschmaschinenservicetechniker sind doch nicht die Zielgruppe. Die ist doch verschwindend klein. Ein paar Tausend. Wenn überhaupt. Sie ist doch nur der Hebel und das Testimonial.
Die Millionen Hausfrauen und Hausmänner sind die Zielgruppe. Die ‚zig Millionen, die zwölfmal im Jahr darüber nachdenken, ob sie beim richtigen Provider sind. Denen sind die Feinheiten der Neuen und Sozialen Medien schnurzegal. Die wissen gar nicht mal wirklich, dass diese existieren. Was Vodafone allerdings verpasst hat, ist der virale (positive) Marketing-Effekt der Peer Group in diesen Medien. Das ist allerdings Scheisse. Momentan haben sie einen negativen Wind bei den Meinungsmachern. Das bereitet den Beratern Magenschmerzen. Sie haben Angst, dass das ihre Leistung ins negative Licht rückt. Auch klar. Das ist doof. Für die.
Ja, die Kampagne und der Spot ist Durchschnitt. Der Claim ist Gurke. Es hätte auch Zahnpasta oder Versicherung sein können. Aber was erwartet man bei einem Old School Kunden und einem Old School Macher Team. Eine Old School Kampagne. Das Einzige, was mich wirklich ärgert, obwohl ich ihn über alle Massen schätze und respektiere, ist dass der einzige Glaubwürdige im Team, nicht aufsteht und die einfache Wahrheit sagt. Des Kaisers neue Kleider. Das ist Werber-Speak. Er weiss es. Das hat er nicht verdient. Ich habe lange gerungen, um diesen Post zu scheiben. Ich wollte es nicht. Aber ich wollte das Feld auch nicht all den selbsternannten Social Media Experten allein überlassen.
Ob sich das Investment für Vodafone gelohnt hat, werden die (und vielleicht auch wir) am Ende des Jahres oder auch später sehen. Alles andere ist Social Media Theorie und Spekulation. Denn keiner der selbsternannten Experten in der Blogosphäre hat auch nur annähernd eine Aktion dieser Grössenordnung gefahren. Wenn überhaupt.
Aber wen juckt’s? Es ist Vodafones Geld. Und deren Image. Deren Entscheidung und Verantwortung. Ich bin gespannt, was T-Mobile daraus nun macht. Entspannen wir uns wieder. Und ziehen bescheiden die Lehren daraus. Dafür gebührt der Kampagne allerdings wiederum Respekt. Der nächste möge es besseranders machen.
Ja, das ist ein Rant, ohne Reflektion und Korrekturlesen.