Das Web ist nicht dazu da, Tageszeitungen zu verkaufen

Wer als Printverlag noch glaubt, er könne seinen Webauftritt dazu benutzen, um mehr gedruckte Exemplare und Anzeigen zu verkaufen, um mehr Abonnementen zu werben, der macht einen schweren Denkfehler und hat die Dynamik und den massiven Wandel der Publikationsmärkte nicht erkannt.

Das ist genauso, als das Radio erfunden wurde, zunächst Opern darüber zu übertragen. Als das Fernsehen erfunden wurde, Hörspiele bewegt zu bebildern oder Bühnenshows (bis heute) dort zu zeigen. Das Web ist nicht dazu da, Tageszeitungen zu verkaufen. Das Web hat seine eigenen Potentiale und Möglichkeiten. Das Web hat seine eigene Sprache. Das Web ist nicht der Köder für mehr gedruckte Verkaufsauflagen oder mehr Zuschauerzahlen für das Fernsehen.

Wer als Verleger so denkt, macht einen schweren Fehler.

Anstatt das Medium als eigenständigen Kanal zu erkennen und mit neuen, dem ihm angemessen Formaten, die noch zu erfinden und zu entdecken sind, einzusetzen und zu nutzen. Einem Verleger kann das Medium schliesslich egal sein. Es spielt keine Rolle ob guter Journalismus, gute Information oder gute Unterhaltung auf Marmor, Stein, Eisen oder Papier  – oder eben digital im Web angeboten werden, um damit natürlich auch ein Geschäft zu machen und auch gute Journalisten und Künstler bezahlen zu können. Ungeachtet dessen, kann und wird es ebenso natürlich weiterhin gute Zeitungen und Magazine geben. Wie eben Opern, Theater, Hörspiele. Als (subventionierte) Nischenprodukte für Minderheiten und einige Bildungsbürger.

8 Kommentare zu „Das Web ist nicht dazu da, Tageszeitungen zu verkaufen

  1. Geht’s bitte ein wenig konkreter? Dass jedes Medium ein eigenständiger Kanal mit ihm eigenen Möglichkeiten ist (manchmal entwickeln sich diese auch, z. B. vom Distributions- zum multimedialen, multimodalen Interaktionsmedium) ist ja nun nichts Neues.

    Was mich befremdet, ist der möglicherweise entstehende Eindruck, wir diskutierten hier nur über „gute“ Medien und Angebote. Neben Nischenprodukten gibt es aber auch immer Angebote für den Mainstream (sowohl Zeitung, Radio, Fernsehen als auch Internet). Wirtschaftlich gesehen erscheint es mir zudem nicht sinnvoll, nur eine Minderheit im Auge zu haben, gerade was Medienangebote betrifft – außer diese ist hinreichend zahlungskräftig und -willig, um exklusive Angebote nutzen zu können.

    Schließlich: So sehr ich es persönlich begrüße, in die Zukunft zu schauen („angemessenen Formaten, die noch zu erfinden und zu entdecken sind“), hilft es nicht, auf die Zukunft zu warten, denn die beginnt schon hier und jetzt. Vielmehr scheint es mir geboten, die jeweils gegebenen Möglichkeiten zu erkennen und auch zu nutzen, um die jeweiligen kommunikativen Ziele bestmöglich erreichen zu können.

  2. Dr. Matthias O. Will, was ich kritisiere ist, dass viele Verleger ihre Online Präsenzen nur als verlängerten Arm ihres Marketings sehen, um ihre Papierauflagen abzuverkaufen. Nicht mehr und nicht weniger.

    Es geht nicht um „gute“ oder „weniger gute“ Medien. Es geht auch nicht darum, exklusive Nischenangebote zu promoten. Im Gegenteil.

  3. Leiden Verlage an Ideen-Armut?

    Ich arbeite mit einem Verlag zusammen, der m.E die Sache recht cool handhabt. Verlegt werden recht erfolgreich B2C-, B2B-, Firmenzeitchriften und Kundenzeitschriften, aber auch käufliche Fachzeitschiften wie z.B ‘Ramp’.
    Web-Auftritt und Druckfassung ergänzen sich in einer besonderen Form. Es wird bei dem Web-Auftritt Content gezeigt der in der Druck-Fassung nicht erscheint („Making of“ Videos etc.) und natürlich anders herum im eigentlichen Heft selbst. Mehr dazu: http://meedia.de/nc/details/article/verlage-leiden-an-ideen-armut_100013292.html

    Kann dieses sinnvolle Vorgehen auch durch Mikroblogging ausgeweitet/verknüpft werden? Für mich ist das Thema mikroblogging relativ neu – drum stelle ich mir die Frage inwiefern es bei einer solchen Konstellation erfolgreich mithineingezogen werden könnte? Ich denke schon!

    Cem?

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