Microblogging ist in Wahrheit Micromessaging

Die Architektur von Microblogging-Lösungen ist tatsächlich eher „Micromessaging“. Technich gesehen hat Microblogging nichts mit Bloggen zu tun. Es ist nur ein optisches Vexierspiel an der Benutzeroberfläche. Es geht um das öffentliche Posten von kurzen Nachrichten in Echtzeit. Der Standard für Echtzeit-Nachrichtensysteme ist Jabber, eine Sammlung XML-basierter Netzwerkprotokolle, die hauptsächlich für Instant Messaging verwendet werden. Der Kern des Protokolls (XMPP) ist ein Internetstandard für Instant Messaging, wie die Wikipedia es kurz und bündig definiert.

Genau das ist das Problem, das heute bei der Skalierung von Twitter auftritt. Das wird auch das Problem sein, wenn identi.ca wächst und skaliert. Denn beide Plattformen und sogut wie alle anderen basieren nicht auf Jabber.

identi.ca ist eine PHP-Lösung, die Jabber nur als aufgesetzten Service nutzt, den sie regelmässig aufruft. Twitter beispielsweise, schreibt alle Nachrichten zunächst in eine Datenbank, von er aus sie ebenfalls nur an einen Jabber-Service zum Weitersenden weitergeleitet werden. Geht die Datenbank in die Knie, kommt es zur Überlast oder gar zum Ausfall, so taucht dort der berüchtigte Failwhale auf. Auf Dauer sind das keine tragfähigen Lösungen für grossen Datendurchsatz bei einer grossen Nutzeranzahl.

Bei unserem experimentell-kommerziellen System Brokerz, eine Microblogging-Plattform für Börsianer (Invitation only, brokers only, der Public Stream zeigt nur einen kleinen Ausschnitt), haben wir uns für eine reine voll-skalierbare Jabber-Lösung entschieden. Extrem perfomant, da sie keinerlei konzeptionellen Flaschenhälse aufzuweisen hat. Der Nachrichtenstrom wird ohne Unterbrechung durchgeschleust. Dabei werden alle Messages parallel in die Datenbank zur Archivierung geschrieben und können jederzeit beim Browsen oder gezielt abgerufen werden. Eine technisch recht anspruchvolle aber zukunftssichere Lösung, das von der konkreten Anwendung aktuell in der Erprobung ist, dessen Architektur aber sich voll bewährt hat in den Lasttests.

Architektonisch hat Twitter keine Zukunft, ungeachtet der sehr grossen Anzahl von Nutzern und dem aktuellen Marktanteil, den es gegenwärtig hat. Micromessaging ist das neue Microblogging.

12 Kommentare zu „Microblogging ist in Wahrheit Micromessaging

  1. Cem, sind da von dedir (euch?) weitere Informationen über Brokerz veröffentlich? Mich interessiert das weniger aus technischer Sicht (aber Glückwunsch zur Wahl von XMPP) sonder als E-Learning-Berater finde ich Aspekte wie informelles Lernen, Kompetenzentwicklung und Organisationsentwicklung spannend. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich dazu mehr erfahren könnte.

    -Tim

  2. Nicht nur aus technischer Perspektive greifen Twitter & Co. mit dem Micromessaging zu kurz. Über echtes Microblogging kann u.a. in Kombination mit Tagging mehr Business Value generiert werden.

  3. Apropos Microblogging und XMPP. Mit z.B. pubsub bring Jabber ja alles mit, um richtig gut Microblogging machen zu können. Gibt es da schon technische Umsetzungen von?

  4. Ich kenn mich mit dem Technikgedöhnszwonull nicht wirklich aus, aber auch Blogs sind Messagingdingens, nur eben nicht Micro. Genauso wie diese 140-Zeichen-Dingens (B)logs sind, nur eben Micro. Genauso ist dieses 140-Zeichen-Dings auch Chat. Was ein Blog nicht ist. Obwohl, wenn man sich in einigen Bloghütten die Kommentare anschaut… Ich glaube, es wird interessant, wenn beides zusammenwächst. Wie immer es dann auch heissen mag.

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