Thesen: Warum Blogs scheinbar an Bedeutung verlieren

In den letzten vergangenen Monaten haben deutschsprachige Blogs scheinbar viel Kraft und Reputation verloren, wenn es nach Technorati und ähnlichen Neugiertools geht. Zudem hat bei vielen der Besucherstrom spürbar nachgelassen. Nimmt die Bedeutung von Blogs ab? Eine viel gestellte Frage in jüngster Zeit.

Ich beobachte folgendes:

  • Tatsache: Ende August hatte Technorati seine Indizierungsmethode verändert, um insbesondere Spamblogs und ähnlichen Unrat wie auch Dubletten aus ihren Auswertungen zu verbannen. Bei einer jüngsten Link-Reinigungsaktion, bei der weitere Spamblogs aus der Technorati-Datenbank gelöscht werden sollten, sind (versehentlich) auch Links anderer Blogs herausgefallen. Dadurch sackten die Rankings der meisten deutschsprachigen Blogs nochmals massiv herunter.
  • Gewagte These 1: Microbloggingaktivitäten in Twitter oder identi.ca stiegen im gleichen Zeitraum rapide an. Die meisten der Microblogger sind (ehemalige) Blogger. Vieles, das normalerweise gebloggt werden würde, wurde als kurze Statusmeldung via diesen neuen Medien gesendet. Inhalte wanderten von Blogs weg in die Tweets und Dents. Blogger steckten mehr Zeit und Aufwand in das Microblogging. Für das Schreiben wie für das Lesen. Da Zeit und Aufwand für einen Webizen endlich und begrenzt sind, fehlten genau dieses für das Bloggen.
  • Gewagte These 2: Die Anzahl an Veranstaltungen, auf der Blogger gerne sind, nahm ebenfalls im gleichen Zeitraum deutlich zu. Eine ganze Reihe von Barcamps und ähnlichen Events band die Zeit und die Aufmerksamkeit der Blogger, die viel lieber mobil und kurz vor Ort twitterten, anstatt aufwendiger zu bloggen. Von Angesicht zu Angesicht auf diesen Events zu sprechen und gemeinsam aktiv zu sein, machte Bloggen überflüssig. Blogger auf Barcamps bloggen weniger oder gar nicht. Sie twittern. Zudem konnte man sich ja direkt miteiander unterhalten und so seine Reputation im persönlichen Gespräch aufbauen. Old School. Die´Besucherrate auf den Blogs nahm dabei natürlich auch ab. Real Life ist spannender als Virtual Life.

Die „technisch gemessene Reputation via Verlinkungsgrad“ und die Besucherrate nahmen bei den meisten deutlich ab. Die Reputation und die Vernetzung des Bloggers (des Menschen hinter dem Blog) nahm nicht ab. Behaupte ich. Eher im Gegenteil. Behaupte ich. Man widerlege meine Thesen.

16 Kommentare zu „Thesen: Warum Blogs scheinbar an Bedeutung verlieren

  1. Gewagte These 3: Immer mehr Leute verstehen was RSS ist, lesen viel mehr über ihre RSS-Reader und dadurch nimmt nicht nur der Traffic auf den Blogs selbst ab, sondern auch das massive „nachplappern“ und damit das Verlinken (man könnte auch Stille-Post spielen sagen) untereinander.

    Es hat sich sozusagen der Nebel in der Blogoshpäre gelichtet und da jetzt viele Leute ein höheres Maß an Transparent haben, wird weniger von „Lichtung zu Lichtung“ weitererzählt.

    Wenn es eine News gibt und die von einem der größeren „Verteiler-Blogs“ aufgegriffen wurden, brauch ich das halt nicht auch nochmal bloggen und nochmal verlinken. Und selbst wenn man es nochmal innerhalb seiner bekannten verteilen will, haben wir genau Tools wie Facebook, Twitter, FriendFeed und Social Bookmarking Dienste, die genau den selben Zweck erfüllen können.

    Ich kann das super gut an mir selbst beobachten:

    Ich habe früher viel über Microformats geschrieben und hatte da so meine „speziellen Quellen“ in den US Blogs irgendwann gefunden, die in Deutschland erstmal nicht viele kannten. Ich war damit immer der erste der die News auf Deutsch rausgebracht hat, bzw. neue Entwicklungen auf Deutsch erklärt hat und das haben bestimmt immer 5-10 Blogs nochmal wiederholt und damit auf mich verlinkt.

    Im ersten Schritt haben dann diese Wiederholungen auf Deutsch nachgelassen, da ja irgendwann alle interessierten mein Blog kannten und man einfach mit der Zeit merkt, dass man es nicht immer nochmal wiederholen muss.

    Ich hatte dann auch noch lange Zeit einen gekürzten RSS-Feed der Leute gezwungen hat auf mein Blog zu kommen, um den ganzen Artikel zu lesen. Als ich dann diesen RSS-Feed komplett geöffnet habe, hat der Traffic nochmal ganz massiv nachgelassen.

    So und zu guter letzt hab ich dann auch aufgehört Dinge nochmal zu „übersetzen“, da die Leute eh alle mittlerweile die US Blogs zum Thema gelesen haben, die früher meine „geheime“ Quellen waren.

    Der Abstieg in Sachen Verlinkung und Traffic war da also ganz einfach nachvollziehbar. Gemerkt hab ich das ganz einfach daran, dass Leute die mich früher verlinkt haben oder bei mir kommentiert haben, angefangen haben in den US Blogs zu kommentieren, oder die News von denen über die oben bereits genannten Kanäle selbst verbreitet haben.

    Das ist natürlich auch nochmal ein schönes Beispiel für ein anderes Problem: Die Substanz ;) Mich hat diese ganze Entwicklung eigentlich dazu geführt, dass ich beschlossen habe, dass ich jetzt überwiegend auf English bloggen muss.

    Den natürlich hab ich auch angefangen wesentlich mehr eigenen Content zu erstellen. Eigene Ideen zu publizieren, eigene Thesen aufzustellen usw. – diese habe natürlich im English sprachigen Raum einen wesentlich grösseren „Markt“ – und nach nur wenigen Monaten kann ich sagen, dass ich von 1-2% englisch sprachigen Irrläufern mittlerweile bei 40% Traffic aus Übersee angekommen bin.

    Das hat sich in den letzten 6 Monaten auch wieder positiv auf Ranking, Verlinkung, Traffic und RSS-Subscriber ausgewirkt.

    Mensch jetzt hab ich aber viel dazu geschrieben ;) In dem Sinne!

  2. Vor allem fehlt den meisten Bloggern, wegen Vernachlässigung ihrer eigenen Marke zugunsten von Twitter und Co. die Zeit zur gegenseitigen Vernetzung. Und das sind nicht nur Trackbacks, das sind vor allem Kommenatre, ggf. auch mal in kleineren, bislang noch nicht so bekannten Blogs.

  3. Gut, dass du „scheinbar“ in deiner Überschrift schreibst. Deine 3 Beobachtungen mögen stimmen, keine Frage. Das führt aber alles nicht dazu, dass Blogs bedeutungsloser werden. Im Gegenteil: noch nie wurden Blogs so ernst genommen wie heute in DE. Sie sind eine unverzichtbare Resource für IT-Leute, Presse für die meisten beruflichen und privaten Surfer und eindeutig im Radar der PR- und HR-Abteilungen.

    Man sollte „Bedeutung“ nie an statistischen Messwerten festmachen. Es ist eine Idee / ein Gedanke, der sich bei einem Blogeintrag verbreiten soll, nicht das Ego.

  4. Ich sehe keinesfalls den Bedeutungsverlust von Blogs. Es werden nur immer mehr, die genau das tun, was wir alten Hasen seit (in meinem Fall fast fünf Jahren) so treiben. :) Die Masse wächst, einige der etablierten Blogger verlieren einfach an Bedeutung.

  5. Ich kann Mike Schnoor nur zustimmen: In der Breite kann ich keine Abnahme erkennen. Ich finde heute mehr gute Blogs zu vielen Spezialthemen als früher.

    Wer verliert?

    Rivvahuren-Blogs (die sich einfach an jedes heiße Thema dranhängen),
    Blogosphäre-Schwadroniert-Über-Sich-Selbst-Blogs (ödet an) und
    Blogs-vs-Mainstreammedien-Blogs (weiterhin wichtig, aber ohne aktuellen Skandal eben auch nicht mehr soooo doll spannnend).

    Und die Entwicklung finde ich auch nicht schlimm. Im Gegenteil: Das ist sogar gut und zeigt, dass die Blogosphäre erwachsener geworden ist.

  6. Lieber Chem,

    danke für den Beitrag.

    Ein paar rasch aufs Blatt geworfene Thesen von mir dazu:

    1. Mangel an Qualität: Viele Blogs liefern – im Vergleich zu den klassischen Angeboten – mindere Qualität, sowohl vom Newswert als auch in der Art und Weise des Denkens und des Schreibens. Diese ewigen „ich-war-heute-hier“ „ich-bin-morgen-dort“ „ich-esse-gerade-dies-und-das“ ist in der Masse nur bedingt interessant. Es gibt ein paar sehr gute Medienblogs (wie diesen hier), aber leider auch extrem viel Trash, der nur Zeit und Aufmerksamkeit kostet, die man nicht unbedingt hat.

    2. Begrenztes Zeitbudget: Als Blogs noch neu waren, ist man hin und her gehüpft und fand das „Kennenlernen“ und vernetzen spannend. Irgendwann stellt sich ein gewisser Abnutzungseffekt ein und man merkt, wie viel Zeit Blogs in Anspruch nehmen. Man hat einfach keine Lust mehr stundenlang im Netz herumzusurfen, um zu lesen, was anderen Menschen in ihrer Freizeit machen. Wozu auch, wenn ich mit keinem anderen drüber sprechen kann. (Im richtigen Leben.) D.h. ich wende mich Medienangeboten zu, über die man eben spricht und sprechen kann.

    3. Nutzungsverhalten: Die meisten haben sich jetzt wohl auf ihre drei, vier, fünf Lieblingsblogs kapriziert und keine Lust auf sechs, sieben, acht, neun weiteren Blogs das ewig Gleiche nur anders geschrieben zu lesen.

    4. Microblogging: Das absolute Killertool für die meisten Blogs. Wozu in Blogs das umständlich schreiben, was ich auf 140 Zeilen herunterbrechen kann.

    5. Aufwand / Kosten: Ein richtig gutes Blog zu führen kostet einiges an Aufwand, verdienen tut man mit Blogs dagegen wenig bis nichts. Besonders auffällig ist der Unterschied, wenn man sich Artikel von Personen durchliest, die gleichzeitig Bücher oder Zeitungsartikel schreiben, die Blogbeiträge fallen gegenüber den Artikeln, die sie bei den klassischen Medien veröffentlichen sehr stark in der Qualität ab. Blogs sind eben eher ein „Abfall-“ oder „Nebenprodukt“ und viele wirken in der Tat so.

    6. Wertigkeit der Printmedien / Marke: Im Web 2.0 scheint alles beliebig zu sein. Jedermann veröffentlich irgendwas kostenlos. Wie kann ich feststellen, ob das Qualität ist? Habe ich dagegen ein Zeit-Magazin in der Hand, suggeriert mir allein die Marke und die kompakte Form: Hier ist gebündelte Qualität. Hier schreiben gebildete, gut ausgebildete Menschen. Blogs und Blogbetreiber müssen sich diese „Marken“ erst noch erarbeiten, dazu fehlt vielen der lange Atem und die Geduld – eben auch getrieben von den ständigen Ups- and Downs und dem anfänglichen Hype. Ich denke, dass sich der Erfolg von Blogs erst in der Langfristigikeit und der entsprechenden Professionalität zeigen wird – doch beides fehlt vielen Bloggern, leider.

  7. Liebe Schnuti, eine sehr gute Analyse auf den Punkt gebracht. Dass dieses Blog ein Medienblog ist in deinen Augen, freut mich. Das hatte ich so nicht gesehen bisher :-)

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